Waffenplatz Kaserne Auenfeld Frauenfeld

Eine konzentrierte Gesamtanlage mit städtischem Charakter, die durch ihre bauliche Konzentration ein Minimum an Fläche in der Thurebene beansprucht und deren Bauten sich quasi in den Schatten der landschaftsgliedernden Waldungen der Murg und des Galgenholzes »ducken«. Ein autonomes, städtisches Gebilde mit optischem Bezug zur Stadt, das damit auch den Bezug Militär – Gesellschaft thematisiert.

Beschrieb

Nachdem die Stadtkaserne – 1863/65 auf der grünen Wiese neben dem Bahnhof erbaut – in ihren betrieblichen Beziehungen zu den Ausbildungsanlagen vom zunehmenden Verkehr immer stärker behindert wurde, sollte die Zusammenlegung von Kaserne und Ausbildung auf der grossen Allmend den Betrieb wesentlich einfacher und effizienter machen.

Als Standort wurde ein Gelände 2 km vom Stadtzentrum entfernt, nahe beim Zusammenfluss von Murg und Thur, in der traditionell unbebauten und deshalb hochsensiblen Thurebene bestimmt.

Als Ausgangspunkt für die Projektentwicklung setzen hier die wesentlichen Fragen nach dem Konzept auf der städtebaulichen Ebene an: Am Ort, wo geplant und gebaut werden soll.

Wir fragen nach dem Wesen, nach den charakteristischen Eigenschaften dieses Ortes, um dann aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse das Angemessene für den Entwurf zu tun.

Charakteristisch für diesen Ort ist:
–   grossräumige, traditionell unbebaute Landschaft der Thurebene
–   die landschaftsgliedernden Elemente Murgbewaldung, Ausläufer Galgenholz
–   die Sichtachse auf der Thurstrasse zur Stadt Frauenfeld

Die angemessene Reaktion im Entwurf:
–   Konzentration der Bauten (als Alternative zum Campus), um die Thurebene möglichst unbebaut zu erhalten.
–   Die Bauten den landschaftsgliedernden Elementen einzuordnen.
–   Den zentralen Zugang zur Gesamtanlage in die Sichtachse zur Stadt zu legen mit optischem Bezug zur Stadt

Auf der betrieblichen Ebene waren Sektorenbildung (betriebliche Einheiten) und – im Wissen um eine sukzessive Erweiterung der meisten Anlageteile – eine optimale Etappierbarkeit wichtige Randbedingungen für einen reibungslosen Ablauf.

Wache und Hausmeisterei bilden das Tor zur Gesamtanlage im Auenfeld. Deren Aufteilung in zwei funktionale Hauptgruppen zeigen sie durch das Abdrehen um 45 Grad zur Zufahrt an. In östlicher Richtung erstrecken sich die eigentlichen Kasernenbauten entlang der Murgbewaldung.

Zentrum der Kasernenanlage ist der grosse, städtische Dimensionen aufweisende zentrale Platz. Durch die lineare Struktur in der Nord-Südrichtung bildet die 1. Etappe des Lehrgebäudes das Rückgrat und den westlichen Abschluss. Diese Lage ermöglichte die geforderte Erweiterung in gleicher Achse nach Norden. Platzseitiger Auftakt ist der markant vorspringende Filmsaal, unter dem die grosszügige, offene Vorzone den zentralen Haupteingang markiert.

Drei miteinander verbundene Unterkünfte für je eine Einheit begrenzen den Platz nach Osten und Norden und sind zugleich Auftakt für eine Fussgängerachse. Sie bilden den Ausgangspunkt einer massstäblich kleinräumigen Wohnstrasse. Die topographischen Gegebenheiten werden für dreigeschossige Trakte genutzt, ohne dass die einheitliche Höhenbegrenzung aller platzbildenden Bauten verloren geht. Das städtebauliche Muster dieser »Wohnanlage« und den daraus resultierenden Gassenraum bringt eine zweite Gruppe mit wiederum drei Einheitsunterkünften – aufgelockert durch einen Platz – klar zum Ausdruck.

Den südlichen Abschluss des Platzes bildet das mit einem um 45 Grad abgewinkelten Turm markierte zweigeschossige Verpflegungsgebäude, bereits für den Endausbau der Kasernenanlage projektiert und ausgeführt. Ebenerdig und über zwei in den Platz vorspringende leichte Stahltreppen werden die beiden vom Raumangebot her praktisch identischen Geschosse erschlossen.

Auftakt der Gesamtanlage bildet aber das 1999 fertiggestellte Freizeit- und Kommandogebäude. Es hat eine längere planerische Entwicklung durchgemacht und veränderte sich vom geometrisch klaren, die Solitärstellung dieses Gebäudes stärker betonenden Rundbau zur heutigen ellipsoiden Form. Der Bau nutzt die günstige topographische Situation für die Zugangsmöglichkeiten auf zwei verschiedenen Ebenen; einem unteren Erdgeschoss mit kasernenseitigem Zugang (hier ist auch die zentrale Feldpost sowie der ganze Anlieferungsbereich untergebracht) und einem oberen Erdgeschoss mit direktem Zugang zur Waffenplatzverwaltung und dem auch der Öffentlichkeit zugänglichen Restaurant. Mit der schiffsartigen Grundrissform scheint das Gebäude an prominenter Stelle vor Anker gegangen zu sein, um zwischen Militär und Zivil zu vermitteln.

Während die beiden Erdgeschosse vollflächig genutzt werden, sind die beiden Bürogeschosse mit dem eigentlichen Verwaltungsbetrieb für den Waffenplatz und einer grossen Zahl von Instruktorenbüros um einen Innenhof gruppiert, der die Belichtung der innenliegenden Küche und den Free-Flow-Bereich mit Tageslicht ermöglicht.

Vom Haupteingang Richtung Westen folgen in linearer Struktur dem weichen Bogen des Galgenholzausläufers, parallel zur Haubitzenstrasse, die grossräumigen Ausbildungshallen sowie die ihnen in Front und Rücken vorgelagerten ausgedehnten Betonplätze. Als vorläufig letztes Steinchen in diesem beachtlichen Mosaik militärischer Bauten setzt die Betankungsanlage für Panzerhaubitzen mit ihrem grossflächigen Hängedach einen besonderen Akzent. Sie ist ein aufschlussreiches Beispiel intensiver Zusammenarbeit von Ingenieur und Architekt.

Die in städtebauliche Überlegungen begründete Konzentration der Bauten schafft kurze, übersichtliche Verbindungen zwischen den einzelnen Sektoren und erleichtert die Orientierung innerhalb der Anlage.

Die architektonische Haltung im äusseren Erscheinungsbild ist geprägt von einfachen und präzis geschnittenen Kuben und den wenigen, den Zusammenhalt der Gebäudeteile betonenden Materialien: Sichtbeton, Kalksandstein, Metall und Glas.

Einige geometrische Elemente können als Grammatik im architektonischen „Satzaufbau“ gelesen werden, so etwa die Einführung des 45° Winkels: Er kommt immer dort vor, wo ein Richtungswechsel vorgenommen wird: Eingangsbauwerk, Einleitung in die Wohnstrasse, oder wo die Bedeutung als „öffentlicher“ Bau besonders betont werden soll: Am deutlichsten beim Filmsaal, etwas weniger stark bei den Speisesälen. Oder gerundete Elemente: Als klarer Abschluss der Wohnbebauung gegen Norden; als Unterstützung des Solitärhaften beim Kommando-Freizeitgebäude, das sich nur noch mit seiner Längsachse ins gesamt-städtebauliche Konzept einfügt. Bewusste Gegensätze im architektonischen Erscheinungsbild wurden mit dem Kontrast von massiver Kalksandsteinwand und filigraner Stahlkonstruktion mit entsprechender Licht-Schattenwirkung herausgearbeitet.

Die städtebauliche Geschlossenheit und Kompaktheit des »blauen Platzes« wurde erreicht durch die durchgehend gleiche Traufhöhe der ihn begrenzenden unterschiedlich hohen Bauten und den wenigen Sichtbezügen zu charakteristischen Landschaftsteilen oder in die Wohngasse.

Charakteristisch für die architektonische Haltung im Innern ist auch hier die begrenzte Auswahl von Materialien für die unterschiedlichsten Anforderungen der jeweiligen Räume und die Führung von Tageslicht. Sie macht die Textur der Wandoberflächen erst richtig ablesbar und in Treppenhäusern, Hallen und Korridoren die unterschiedlichsten Witterungsbedingungen erlebbar.

Die Material- und Farbwahl hat unter den Benutzern immer wieder z.T. heftige Diskussionen ausgelöst und wird sie wohl weiterhin auslösen. Die Tatsache, dass nach 15, 16 Jahren intensivstem Gebrauch grosse Abnutzungserscheinungen kaum feststellbar sind, erfüllt uns aber doch mit grosser Genugtuung.

Die künstlerische Gestaltung des zentralen Platzes ging ebenfalls aus einem Wettbewerb hervor. Jürg Altherrs schwebender Betonbalken bringt in eigenwilliger Weise das Beziehungssystem von Tragen und Lasten zum Ausdruck. Das Massiv-Schwere ist oben, das Transparent-Leichte ist unten. Das verleiht einer Konstruktion wie dieser raumplastischen Struktur etwas Gefährliches, etwas schon an menschliche Vermessenheit grenzendes. In ihrer Bezugnahme auf die platzräumliche Situation, will sie sich weder ein- noch unterordnen, sie aber auch nicht zerstören. Der Plastiker Altherr versteht sein Werk vielmehr als freie Gegenstimme.

Die platzräumliche Spannung wird durch das Fugensystem, die tangentiale Beleuchtung und die blaue Einfärbung des Platzes sowie durch den bodenebenen Wasserspiegel noch unterstrichen.

Der Maler Günther Wizemann löste die Aufgabe der farbigen Belebung mit einem Minimum an farbformalen Mitteln, die der Logik der Bauformen, der Konstruktionsweise, der Raumverhältnisse und der Nutzung angepasst sind.

Die eingesetzten Farben, teils auf den Sichtsteinwänden selbst, teils in bildmässig auf die Wände aufgesetzten Tafeln, beschränken sich auf die Grundfarben Rot, Blau, Gelb, ergänzt mit Weiss und Schwarz. Wo der Künstler markante Wandflächen für würdig hielt, wurden grossformatige »Panneaux« körperhaft aufgesetzt. Sie zeigen einfachstmögliche Flächen- und Farbgliederungen, wobei als Formmotiv die der architektonischen Struktur entnommene T-Form gewählt wurde.

Respekt vor der Architektur, Intelligenz in der sparsamen Dosierung der Farbakzente, Logik in der kompositorischen Behandlung der Tafeln, zeichnen den Beitrag des Künstlers an die optische Belebung der Innen-Architektur aus.

Mit der Arbeit am Waffenplatz Frauenfeld sind 20 Jahre vergangen. Zusammen mit den Entscheidungsträgern des Bundes für Bau und Betrieb wurden die Weichen für ein langlebiges, flexibel nutzbares Ausbildungszentrum gestellt. Dass dabei das Bauen als kulturelle Aufgabe immer auch ein Thema war und blieb, ist nicht einfach selbstverständlich.

Projektart

Wettbewerb: 1980, 1.Preis

Projekt + Ausführung

1982 – 2002 (in Etappen)

Auftraggeber

Amt für Bundesbauten Bern

Mitarbeit

Dieter Eigenmann, Christian Toscan, Walter Bachmann, Rolf Löffel, Peter Zürcher

Künstler

Jürg Altherr, Günther Wizemann