Umbau Hirschen Flawil

Befund

Der Hirschen ist in einem erstaunlich guten Zustand. Vor allem durch die solide Konstruktion aber auch durch den erwähnten Umstand, dass spätere Eingriffe eher punktuell erfolgten und die Grundstruktur intakt liessen. Trotzdem weist das Bauwerk diverse Schäden auf infolge der Verwitterung, Undichtigkeiten von Dach und Fassade sowie falscher Oberflächenbehandlungen.

Die Kellermauern sind grundsätzlich intakt, jedoch teilweise durchfeuchtet. Die Bauglieder des Sockels aus Plattensandstein sind durch einen ungeeigneten Farbauftrag sowie Mörtel welche keine ausreichende Diffusion ermöglichen, stark geschädigt. Die massiven Metallläden sind stark korrodiert. Die Treppen, welche aus einem eher weichen Stein gefertigt wurden, sind stark abgenutzt. Die Steinböden präsentieren sich in einem guten Zustand. Die Risse und Vertiefungen können weitgehend als Zeichen des Alters belassen werden.

Diverse Wände und Decken haben später eine ungeeignete Oberflächenbehandlung erhalten. Die Parkette müssen zu einem grossen Teil repariert oder ersetzt werden. Eindringende Feuchte an allen Fassaden im Bereich der Korbbögen hat Schäden hinterlassen an Stukkaturdecken, Holzwerk und Tapeten. Die Fassadenoberflächen sind stark verwittert, insbesondere die Schindeln und die Fenstergewände. Die barocken Fenster haben zwar erheblichen Sanierungsbedarf, sind aber in einem recht guten Zustand. Das Dach weist diverse undichte Stellen auf. Es existiert kein Unterdach.

 

Konstruktion

Die bestehende Konstruktion mit Bruchsteinmauern und Gewölben im Erd- und Untergeschoss, sowie Strickwerkwände und -decken aus Tannenbohlen werden in ihrer Struktur belassen.

Die Böden der Obergeschosse werden zum grossen Teil belassen und wo nötig ergänzt. In den Räumen wo ein Ersatz vorgesehen ist, werden auch Materialien eingebaut für einen verbesserten Feuer- und Schallschutz. Der Schindel- und Bretterschirm der oberen Geschosse wird erneuert. Alle Fenster werden erneuert durch Isolier verglasungen mit der Sprosseneinteilung wie historisch vorgegeben.

Die Dachdeckung bleibt in der gleichen Materialität und Technik. Der Dachstock erhält ein Unterdach, bleibt aber unausgebaut.

Der Innenausbau erfolgt möglichst sanft. Die Oberflächen werden weitest möglich erhalten. Notwendige Eingriffe folgen konsequent in zeitgemässer Form, und sollen als solche erkennbar bleiben. Dies betrifft in erster Linie die Installationen wie Bäder WC und Küchen, aber auch Heizkörper und elektrische Einrichtungen.

 

Architekturkonzept

Der Bau weist eine sehr klare Struktur und eine hochstehende Bauqualität auf. Diese respektierend, basieren unsere Eingriffe auf klaren Prinzipien. Die nebenstehende Fassadendarstellung gibt Aufschluss über die geometrischen Zusammenhänge und den Aufbau der Proportionen.

Die wenigen, in neuerer Zeit eingebauten Trennwände und zusätzlichen Kamine werden entfernt, die herrschaftlichen Räume in ihrer Grundform belassen. Alle notwendigen neuen Installationen werden in zwei Schächten zusammengefasst und erschliessen alle Geschosse. In den Obergeschossen werden im Bereich der ehemaligen Nasszellen im Mittelfeld auf der Ost- und Westseite die neuen Bäder und Küchen eingebaut.

Das Nebengebäude, welches durch seine abgedrehte Lage den Hof einengt, wird beseitigt ersetzt durch einen Annexbau mit Räumen für das Restaurant und eine Terrasse für die Bewohner. Der Hof soll möglichst in seiner Grösse erlebbar werden. Die eingestürzten Mauerteile werden wieder aufgebaut. Im Süden, an der Stelle des ehemaligen Dienstgebäudes werden gedeckte Abstellplätze für Autos erstellt.

 

Raumprogramm

Entsprechend der kulturellen Bedeutung dieses Bauwerks soll die neue Nutzung eine gewisse Öffentlichkeit zulassen. Im Erdgeschoss soll wieder ein Restaurant entstehen, in welchem sich einerseits Gäste vom Dorf treffen können und andererseits kulturell Interessierte einkehren werden, z.B. nach dem Besuch der Konzerte in der Kirche. Die Eingangshalle soll gleichzeitig Auftakt zum prächtigen Haus sein, wie auch Treffpunkt und Empfang für die Gäste und Hausbewohner werden.

In den 3 Obergeschossen werden je 4 kleine Wohnungen eingerichtet.

 

Das 1771-77 durch den Burgauer Kaufmann Johann Egli errichtete barocke Herrschaftshaus nimmt im Weiler Oberglatt, Gemeinde Flawil SG, eine beherrschende Position ein. Es befand sich zur Bauzeit in Bezug auf den Fernverkehr vom Bodensee nach Winterthur und Zürich an einer sehr günstigen Lage an der Landstrasse von Gossau nach Flawil am Glattstich, wo die Fuhrwerke einen Halt einlegten um vorzuspannen. In unmittelbarer Nachbarschaft steht zudem die Kirche von Oberglatt, wo sich ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens der Gemeinde Flawil abspielte. In diesem Ortsteil fanden auch die Gemeindeversammlungen statt. Das reich befensterte Bauwerk zeichnet sich aus durch eine Fülle von architektonischen Details. Die drei Vollgeschosse mit dem Mansardendach bilden einen nahezu quadratischen Kubus. Das Bauwerk wird von einem Turm dominiert. Der Schlussstein des prächtigen Eingangsportals ist mit den drei Fischen des Egli-Wappens verziert. Im Sockelgeschoss befanden sich die Handelsräume; die Fenster sind vergittert und mit Metallläden versehen. In den beiden Obergeschossen sind die repräsentativen Räume um eine zentrale Zugangshalle angeordnet. Das Bauwerk zeichnet sich materialtechnisch durch hervorragende Qualität aus und ist von hoher kulturhistorischer Bedeutung. Die nachfolgenden Nutzungen (Gaststuben, Brauereieinrichtungen, Tanzdiele) überprägen die ursprüngliche Raumstruktur nur punktuell und sind als Teil der Baugeschichte zu betrachten. Es ist von grosser Bedeutung für die Erhaltung des Bauwerks, dass im 20. Jh. wenige Veränderungen vorgenommen wurden. Mit Ausnahme von offensichtlich entwendeten Schlössern und Beschlägen an verschiedenen Raum- und Schranktüren ist die bemerkenswerte Bausubstanz der Errichtungszeit weitgehend erhalten und restaurierungsfähig.

 

Download: Hirschen.pdf

Auftraggeber:

Privat

Vorprojekt:

2012-2019

Mitarbeiter:

Sascha Mayer, Roland Wittmann, Pierre Sutter, Thomas Flämig, Pablo Huber